Fazit Themenforum Lebensräume: Nachhaltigkeit braucht Digitalisierung – und umgekehrt
Das dritte Themenforum zum Digitalplan befasste sich mit dem Handlungsfeld Lebensräume. Wie können wir mithilfe der Digitalisierung dafür sorgen, dass Bayern lebens- und liebenswert, unsere Städte und Dörfer lebendig und attraktiv und unsere Natur intakt und vielfältig bleiben? Mit dieser Frage beschäftigten sich 40 Expertinnen und Experten und erarbeiteten in den Bereichen „Bauen & Wohnen“, „Klima- und Umweltschutz“, „Landwirtschaft“, „Mobilität“, „Nachhaltigkeit“ und „Smart City / Smart Region“ konkrete Vorschläge und Handlungsempfehlungen .
Wie in den vergangenen Wochen stellen wir Ihnen an dieser Stelle die aus unserer Sicht wichtigsten Ergebnisse dieses Workshops vor. Klicken Sie auf die Grafik unten für eine Zusammenfassung des Workshops und diskutieren Sie in den Kommentaren zum Blog mit, wie wir mithilfe der Digitalisierung unsere Lebensräume erhalten und nachhaltig gestalten können.
Wie können Bauen und Wohnen durch die Digitalisierung von Gebäuden und Infrastrukturen nachhaltiger, ressourcenschonender und zukunftsorientierter gestaltet werden? Um dieses Ziel zu erreichen sei vor allem mehr ressortübergreifende Zusammenarbeit nötig, da diese „staatliche Gemeinschaftsaufgabe“ mehrere Ressorts betreffe. Insgesamt sollten technologische Lösungen stets unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfe betrachtet werden.
Die Relevanz von Building Information Modeling (BIM) als technologische Lösung wurde dennoch einhellig unterstrichen. BIM-Software generiert ein digitales Modell eines Gebäudes, das alle relevanten Eigenschaften der verbauten Teile und Baustoffe eines Gebäudes enthält. Dadurch könnten Bauprojekte effizienter und damit kosten- und ressourcensparender geplant und realisiert werden. Außerdem könnten so auch die verbauten Materialien erfasst und beim Rückbau mit geringem Aufwand einer Wiederverwertung zugeführt werden. Damit BIM sich durchsetze, solle der Staat es bei der Vergabe von Bauleistungen verpflichtend machen.
Wie können wir allgemein die Chancen der Digitalisierung für den Klima- und Umweltschutz nutzen und ihren CO2-Fußabdruck senken? Die Antworten auf diese Frage zielten zunächst auf den Themenkomplex Daten und Datennutzung ab. Zwar stünden bereits viele Umwelt- und andere klimarelevante Daten zur Verfügung. Ohne eine strategische Herangehensweise, z. B. über eine einheitliche Open-Data-Strategie sei die praktische Nutzbarkeit dieser Daten durch Staat, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft jedoch stark eingeschränkt. Gegebenenfalls könne ein bayerischer „Datastore“ als zentrale Stelle einerseits das Angebot an Daten bündeln und andererseits bestehende Bedarfe strukturiert erfassen.
Weiterhin wurden viele Vorschläge zur besseren Einbindung von Bevölkerung und Zivilgesellschaft erarbeitet. Zum Beispiel brauche es mehr Aufklärung, wie Digitalisierung den Klimaschutz stärken könne, aber auch konkrete Anreize für klimafreundliches Handeln im Alltag. Hier könne die Digitalisierung beispielsweise beim Verwalten eines eigenen Mobilitätsbudgets hilfreich sein. Auch eine stärkere, institutionelle Einbindung des Themas wurde gefordert: Der bayerische Klimarat solle gemeinsam mit dem Digitalrat Maßnahmen zu Klimaschutz und Digitalisierung erarbeiten.
Beim Thema Landwirtschaft wurde das Vorurteil des digital-abgehängten Landwirts entkräftet: Es gebe viele Landwirtinnen und Landwirte, die digitale Lösungen sehr erfolgreich einsetzen. Insgesamt sei die Branche eine Vorreiterin in Sachen Robotik. Um neue Technologien für alle zugänglich und bezahlbar zu machen, brauche es Plattformen ähnlich den Maschinenringen für Landmaschinen, auf denen Personen mit vergleichbaren Bedarfen für digitale Lösungen zusammenkommen und diese gemeinsam beschaffen könnten.
Ebenso sei es nur gemeinsam möglich, mit großen Anbietern auf Augenhöhe darüber zu verhandeln, wem die Daten gehören, die bei der Anwendung von digitalen Lösungen oder Robotern entstehen. Wenn hier flexible Lösungen gefunden würden, könnten diese Daten auch leichter der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Digitale Tools könnten zudem dabei helfen, eine direkte Beziehung zwischen Landwirtinnen und Landwirten auf der einen und den Verbraucherinnen und Verbrauchern auf der anderen Seite herzustellen – Stichwort Direktvermarktung. So könne wieder mehr Vertrauen zwischen diesen beiden Gruppen hergestellt werden.
Ganz im Zeichen nutzerorientierter Angebote stand das Thema Mobilität: Komplett digitale Tickets für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) oder Echtzeitinformationen zu Ankunftszeiten wären bereits heute möglich, doch sei der ÖPNV bisher dazu schlicht nicht ausreichend finanziert. Dadurch würden auch Chancen für mehr Klimaschutz nicht genutzt; insbesondere auf dem Land seien die Bürgerinnen und Bürgernach wie vor abhängig vom eigenen Auto.
Um diese Thematik anzugehen, sollten zunächst die Bedarfe aller Teilnehmenden am Mobilitätssystem umfassend wissenschaftlich erhoben und der Mobilitätsbereich strategisch mit anderen Themengebieten wie dem Baubereich verwoben werden. Vulnerable Road Users, also besonders schutzbedürftige Personen im Mobilitätssystem wie Menschen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, sollten durch digitale Angebote unterstützt werden. Für einen besseren Austausch von Mobilitätsdaten wurde zudem eine neutrale Plattform für alle Beteiligten am Mobilitätssystem über regionale Grenzen hinweg gefordert.
Im Bereich Nachhaltigkeit wurde diskutiert, wie digitale Tools einen Beitrag zur sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit in Bayern leisten können. Insgesamt zeige sich, dass die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag zum Wandel hin zu einer nachhaltigen Zukunft leisten könne. Grundvoraussetzung dafür sei der Zugang zum Internet und zu digitalen Endgeräten, der als Grundrecht verankert werden solle. Dies könne auch einen wichtigen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit leisten.
Bildungseinrichtungen wurde eine zentrale Rolle für eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft eingeräumt. Dazu brauche es eine Reform der Lehrpläne an Schulen und Universitäten. Eine Chance für mehr Nachhaltigkeit durch Digitalisierung wurde darin gesehen, mithilfe digitaler Tools die Auswirkungen eigener Konsumentscheidungen auf die drei Nachhaltigkeitsdimensionen (ökologisch, ökonomisch, sozial) transparenter zu machen. Zum Beispiel könne Produkten so ein CO2-Wert zugewiesen und soziale Auswirkungen in der Lieferkette dargestellt werden.
Das Thema Smart City / Smart Region wurde als zentral zum Erreichen gleichwertiger Lebensverhältnisse eingeordnet. Bayern sei von einer großen Vielfalt der Städte und Gemeinden, von großen Ballungsräumen bis zu kleinen Dörfern, geprägt. Deshalb brauche es unterschiedliche, aber sich ergänzende Strategien für Stadt und Land, die Leitplanken vorgäben, aber auch lokale Spielräume offenließen. Um diese Strategien zu entwickeln, wurde die Gründung einer Smart City/Regions Task Force gefordert.
Für eine erfolgreiche Umsetzung müssten neue Stellen in den Kommunen geschaffen und in Aus- und Weiterbildung des bestehenden Personals investiert werden. Ebenso seien offene Schnittstellen und Standards vonnöten, um lokale Ökosysteme, aber auch die bayerische Wirtschaft und Wissenschaft mit einzubinden. Letztlich bräuchten Kommunen mehr Hilfestellung und Förderung zur Umsetzung rechtlicher Vorgaben im digitalen Raum.
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